Karl Stackmann wird sechzig

Ein Meister der Philologie

 


Der Literaturwissenschaftler Karl Stackmann wird am Sonntag sechzig Jahre alt. Die germanistische Mediävistik verdankt seiner Arbeitsenergie und seinen unerbittlichen Maßstäben an methodischer Präzision und klarer Argumentation gewichtige Editionen. Wenn heute die Geistigkeit des Spätmittelalters zunehmend schärfere Konturen gewinnt und die Traditionsgebundenheit und Ursprünglichkeit dieser so lange vernachlässigten Epoche ans Licht tritt, so ist dies ganz wesentlich sein Verdienst.
Denn nur dank seiner Kennerschaft und Akribie war das Œuvre von Dichtern wie Heinrich Frauenlob und Heinrich von Mügeln zu erschließen. Zur Erforschung der spätmittelalterlichen Spruchdichtung tritt eine erstaunliche Breite und Intensität des wissenschaftlichen Zugriffs, die neben der heroischen Poesie mit Edition und Kommentar des Kudrun-Epos sich Fragen der höfischen Dichtung ebenso widmet wie ausgewählten Kapiteln aus der Geschichte der deutschen Literaturwissenschaft.
Wer so unternehmungsvoll und zupackend sich auch mit den schwierigsten Gegenstandsbereichen seiner Altgermanistik einläßt, wird sich auch der Verantwortung nicht entziehen, wann immer sie sich im akademischen Raum oder in den wissenschafts- und hochschulpolitischen Gremien stellt. Geprägt durch die Hamburger deutsche und klassische Philologie eines Hans Pyritz, Ulrich Pretzel und Bruno Snell, war Karl Stackmann, von 1959 bis 1965 Lehrstuhlinhaber in Bonn und seit 1965 Ordinarius in Göttingen, im Amtsjahr 1973/74 Rektor. Er ist Mitglied der Göttinger und der Bayerischen Akademie, war von 1977 bis 1981 Mitglied des Wissenschaftsrates, hat seit 1981 den Vorsitz im Wissenschaftlichen Beirat der Wolfenbütteler Herzog-August-Bibliothek und wirkt seit vielen Jahren an vorderster Stelle in der Deutschen Forschungsgemeinschaft, seit 1980 als deren Vizepräsident.
Wenn sich zur Feier seines Geburtstages die Freunde und Schüler zu einem Symposium um ihn scharen, so ehren sie in Karl Stackmann einen Meister der Philologie, der sich unermüdlich den Aufgaben des Faches und der Gegenwart stellt – ein lebendiger Beweis dafür, daß auch heute noch Forschung und Lehre und mannigfache Beanspruchung durch Ämter und Institutionen spannungsvoll zu verbinden sind.

HUBERT HERKOMMER

 
H. Herkommer